The European Premiere of
Edward Albee’s
The Goat, or Who Is Sylvia?
Kronenzeitung
Edward Albee hat mit „The Goat, or Who Is Sylvia?“ ein provokantes Stück geschrieben, das es nicht auf vordergründige Brüskierung anlegt, sondern die Frage in den Raum stellt: wie weit darf Liebe gehen? Dabei geht es Albee in der Groteske weniger um die Ziege als das ausleuchten menschlicher Innenwelten und zwischenmenschlicher Konflikte.
Dem English Theatre ist ein Fang gelungen, indem es gute Kontakte zu Edward Albee genützt und die europäische Erstaufführung an Land gezogen hat…..Pam MacKinnons Regie macht die Handlung plastisch und führt die Darsteller gut. Jurian Hughes, Laurence Lau, Phil Ridarelli und Michael Zlabinger spielen sich souverän durch die 100 Minuten.
Oliver Lang
Wiener Zeitung
Edward Albees jüngstes Stück „The Goat, or Who Is sylvia?“, der Broadway-Hit der letzten Saison und mit dem Tony Award 2002 for “Best New Play on Broadway” ausgezeichnet, erlebte am Mittwoch in Vienna’s English Theatre seine Europa-Premiere.
..Was als Komödie beginnt, mutiert bald zu einer absurden, provokanten Farce voll Witz und Sarkasmus und endet schließlich als blutige Tragödie von geradezu klassisch-griechischen Ausmaßen…..Für die geradlinige, schnörkelfreie Inszenierung zeichnet die Albee-Entdeckung Pam MacKinnon verantwortlich….
Großartig Jurian Hughes (Stevie), deren animalische Leidenslaute einem das Herz zusammenziehen. Nicht weniger profiliert Laurence Lau (Martin) und Michael Zlabinger (Billy), Phil Ridarelli ergänzt als Journalist tadellos.
H.G. Pribil
Kurier
In der Schwärze der Seele
KRITIK Europa-Premiere im English Theatre: E. Albees „The Goat“
Jeder liebt Tiere. Aber muss der seit sechs Monaten in eine Ziege verliebte Martin deshalb auch mit ihr schlafen? Ein Fall für die „Anonymous Goat-Fucker“?
Jedenfalls ein haariges Tabu-Thema, das Edward Albee mit „The Goat, or Who Is Sylvia?“ anpackt. Das möglicherweise provokanteste, jedenfalls kühne Stück des chronisch provokanten US-Dramatikers hatte Mittwoch in Vienna’s English Theatre seine Europa-Premiere, nachdem es bereits am New Yorker Broadway mit dem „Tony Award“ als das beste neue Stück des Jahres 2002 ausgezeichnet worden war.
„Notizen zur Definition der Tragödie“ verspricht der Untertitel. Einmal nicht die alte Geschichte: Ein Mann und eine Frau und noch eine Frau. Sondern: Ein Architekt, seine Frau und seine Liebes-Affäre mit einer Ziege namens Sylvia, die seine Ehe, seine erfolgreiche Karriere, sein Leben zerstören kann.
SEX & LOVE Was auf den ersten Blick verrückt, absurd oder zumindest originell klingt, ist in Wahrheit nur der schockierende Aufhänger für weniger Animalisches als aufregende Fragen: Wie weit kann und darf Liebe gehen? Wie damit umgehen, wenn Grauenhaftes und Unerklärliches eine Familie trifft wie eine Naturkatastrophe?
SEELENANALYSE Bei Edward Albee sind es immer vor allem die menschlichen Beziehungen, die interessieren. Und die sind bekanntlich höchst kompliziert. Nur zelebrieren hier nicht wie in seinem 60er-Jahre-Klassiker „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ die Protagonisten im Dauer-Suff ihr schon seit langem kaputtes Verhältnis.
„The Goat“ zeigt eine bürgerliche Familie ganz am Anfang einer Krise: Wie sie an der Sollbruchstelle zerbirst. Wie der Blick in die Schwärze der Seele, wie die Leidenschaft alles ins Chaos kippen lässt. Regisseurin Pam Mac-Kinnon balanciert das Beziehungsgeflecht gekonnt aus auf des Messers Schneide zwischen Verstörung und Lachen, Komik und Tragik, inszeniert ein Jojo zwischen Aberwitz und bitterem Ernst.
Überzeugend Laurence Lau als Sodomit und Jurian Hughes als vom Entsetzen gebeutelte Ehefrau Stevie in ihrer mit Sarkasmus und Hysterie unterbutterten Verzweiflung. In der dramatischen Intensität während der emotionalen Hochschaubahnfahrt ein Gewinn auch der halbwüchsige Sohn Billy im Dilemma zwischen Abscheu und Vaterliebe sowie Phil Ridarelli als Freund Ross.
Ein brillantes Stück mit fulminanten Dialogen. „Strong language“, warnte man am Broadway. Irgendwann sagt einer mittendrin lakonisch: „Things happen.“ Und manchmal kann man darüber auch lange angeregt diskutieren. Auch in dieser Hinsicht ist Albees jüngstes Drama ein echter Glücksfall.
Werner Rosenberger