PYGMALION

by Bernard Shaw
2 Nov – 22 Dec 2015
 
 

DIE PRESSE


Die mühevolle Erziehung des Professor Higgins

Vienna’s English Theatre. Philip Dart zeigt bei seiner Inszenierung von G. B. Shaws Klassiker „Pygmalion“ die Tugenden des britischen Theaters. Der vielschichtige, sprachkritische Text kommt voll Esprit zur Geltung.

(…) Shaws Stück wurde 1913 im Burgtheater uraufgeführt. Die Premiere in London gab es wegen einer Verzögerung erst 1914. Derzeit kann man sich in Vienna’s English Theatre wieder von den Stärken dieses Klassikers überzeugen. Philip Darts Inszenierung, die am Dienstag Premiere hatte, bringt den vielschichtigen Text zum Funkeln. Im Mittelpunkt steht hier die Sprache, andere Effekte sind auf der kleinen Bühne mit ihrer konventionellen Ausstattung (Anthony Lamble) reduziert. Durch winzige Umbauten wird aus einem Portal am Covent Garden ein Arbeitszimmer oder ein Salon. Zu Beginn der zwei Akte ein paar Takte „La donna è mobile“. Alles Übrige besorgen die Darsteller.

Moral muss man sich leisten können
Dem Regisseur, der häufig in Wien zu Gast ist, stehen versierte, großteils auch durch TV und Film bekannte britische Schauspieler zur Verfügung, die Nuancen von Cockney bis zum Queen’s Englisch beherrschen. Das ist hier wesentlich. Viel stärker als im Musical wird Shaws Sprachkritik auch zu einer der Gesellschaft. Er entblößt die Hierarchien. Die soziale Stellung in England sei allein vom Akzent abhängig, behauptet Higgins. Elizabeth Twells beginnt als verwahrloste, laute Eliza im breitesten Dialekt und endet als affektierte Lady. John Vernon als ihr Vater Alfred gibt ein proletarisches Gustostück, das den feinen Herren rhetorisch überlegen ist. Nach seiner Moral gefragt, kontert Doolittle: „Can’t afford them, Governor. Neither could you if you was as poor as me.“ Higgins (Martyn Stanbridge) und sein neu gewonnener Freund, der Linguist Colonel Pickering (Robert Whelan), betonen die Spleens aristokratischer Sonderlinge. Die übrige feine Gesellschaft stellt sich in ihrer starren Konvention selbst ganz direkt bloß, ihr Personal verstärkt deren Schwächen mit diskreten Blicken.

Allein der dominanten, kritischen Mutter von Higgins (Diana Katis) gelingt es, ein wenig über den Dingen zu stehen. Die meisten aber sind Gefangene des Systems. Am stärksten bekommt das Alfred Doolittle zu spüren, der sich, reich geworden, in die vertraute Armut zurücksehnt. Das ist sarkastisch. Seine Tochter macht es besser. Eliza hat mühevoll gelernt, nicht nur sprachlich, sondern auch menschlich, durch das negative Beispiel ihres Lehrers. Sie agiert am Ende souverän.

Norbert Mayer
5 Nov 2015
 

KURIER


BLUMENMÄDCHEN WIRD DAME DER GESELLSCHAFT

Schon Hans Weigel bedauerte, dass durch das Musical „My Fair Lady“ dem Sprechtheater ein großartiges Stück verloren gegangen sei: Aber jetzt wird George Bernard Shaws Komödie „Pygmalion“ in einer sehr charmanten Produktion in der Regie von Philip Dart in Vienna’s English Theatre gezeigt.

Man bekommt zwar ein Mädchen aus dem verrufenen Londoner East End, heißt es, aber das Londoner East End nicht aus dem Mädchen. Oder doch? Ob das Experiment gelingt, erzählt die Geschichte der naiven Blumenverkäuferin Eliza Doolittle und ihres Sprachlehrers Professor Higgins, der aus der ungebildeten und breit Dialekt sprechenden Eliza eine wohlartikulierte und vorzeigbare Dame der Gesellschaft macht. Elizabeth Twells hat als in der Gossensprache parlierende Eliza die Lacher schon von Anfang an auf ihrer Seite.

Martyn Stanbridge, bereits Dauergast und als Darsteller in mehreren Stücken in der Josefsgasse bestens bekannt, gibt mit Professor Higgins einen Snob und Mann, den niemand geschenkt haben möchte: schroff, unverschämt, überheblich, der sich für seine Schülerin wie ein Insektensammler nur als Forschungsobjekt interessiert. Robert Whelan ist als sein Freund Colonel Pickering der perfekte Gentleman. Und John Vernon als Elizas Vater eine fast Nestroy’sche Figur. Und dass Shaw ein großer Spötter war, geht in der Aufführung gottlob nicht verloren.

KURIER-Wertung:****

Werner Rosenberger
5. Nov 2015