Beginning
von David Eldridge
Der Online Merker
Die Ausgangssituation ist ein wenig anders als sonst. Die Party in der noblen Wohnung von Laura ist vorbei, alle Gäste sind gegangen, nur Danny, den sie an diesem Abend kennen gelernt hat, ist noch da. Peinliches Warten, wer wohl das Gespräch beginnt. Aber nicht der Mann will die Frau verführen, sondern sie ihn, und das sogar ziemlich aggressiv. Weil er sich unbehaglich windet, scheint sich eine Komödie anzukündigen.
Aber ungeachtet dessen, dass immer wieder gelacht werden darf, geht es in „Beginning“ von David Eldridge um mehr. Der Londoner Erfolg, 2017 am National Theatre uraufgeführt, wird bald zum Seelenstriptease. Man muss sich auf den erwünschten Beischlaf gewissermaßen hinzu reden. Der Mann bekennt sein verpfuschtes Leben – kaputte Ehe, die kleine Tochter seit Jahren nicht gesehen, mit Mutter und alter Tante im gemeinsamen Haushalt lebend, und alle Tinder-Versuche haben nichts gebracht.
Ebenso tief geht es, wenn Laura nach und nach geradezu aufschreit, was sie wirklich möchte. Die wohlhabende Erfolgsfrau, die von allen beneidet wird, hat ihr Glück nicht in Beruf und Karriere gefunden – sie will mit ihren 39 Jahren unbedingt wenigstens ein Kind, eigentlich aber einen liebevollen Ehemann, viele Kinder und ein Haus am Land. (…)
Regisseurin Adrienne Ferguson hatte (in der passenden Ausstattung von Vernon Marshal) immerhin zwei exzellente Interpreten. (...) Sian Polhill-Thomas interpretierte die erstaunlich mutige Großstädterin am Rande der Verzweiflung, die wagt, sich, ihre Wünsche und ihre Schwächen preiszugeben, mit bewundernswerten Nuancierungen. Komischer war allerdings Liam Jeavons als der Mann, „der sich nicht traut“, der immer wieder in Peinlichkeit vergeht, weil er als gebranntes Beziehungs-Kind panische Angst vor der Situation hat, aber doch starker Anziehung ausgesetzt ist…
Man verrät sicher nicht zu viel, dass die beiden – nach einem sehr langen, manchmal länglichen „Vorspiel“ – am Ende ja doch im Bett landen und glücklich sind. Das Publikum war es dann auch.
13.09.2022
Renate Wagner
Falter
Sie will, er nicht - warum nur?
Wir schreiben 2015, die Welt ist noch in Ordnung, denn „nächstes Jahr wird garantiert eine Frau US-Präsidentin“. Laura, 39, hat in ihrer Eigentumswohnung in einem noblen Viertel Londons eine Party geschmissen. Am Ende - die Uhr im detailreich ausgestalteten Bühnenbild von Vernon Marshal zeigt halb drei - ist neben ihr nur noch der Begleiter eines Bekannten übrig: Danny, 37. Sie macht ihm eindeutige Avancen, aber er ziert sich. Warum nur? David Eldridges Kammerspiel „Beginning“, 2017 in London uraufgeführt, ist nun, im englischen Original, erstmals in Österreich zu sehen. Regisseurin Adrienne Ferguson reizt die peinliche Spannung zwischen der offensiven Laura (Sian Polhill-Thomas) und dem erkennbar komplexbehafteten Danny (Liam Jeavons) maximal aus. Das ist mal unerträglich, dann wieder entzückend, wenn kleine Gesten perfekt aufeinander abgestimmt sind. So braucht es mehrere Songs von der auf „Shuffle“ gestellten Playlist, zu denen Laura exzessiv durchs Wohnzimmer wirbelt, bis feststeht: Tanzen ist Dannys Sache nicht. Einige Verstöße gegen die heilige englische Werktreue (sprich: Kürzungen) hätten dem Abend gutgetan; er schwebt dennoch als kleine Seifenblase wohliger Zwischenmenschlichkeit durch unsere krisenhafte Gegenwart.
MP
38-2022